27.04.2020
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„Das ist eine Chance, wir probieren es.“ Auftakt von Kleinkunst im Auto

Alle Events abgesagt – so ist Kleinkunst im Auto das erste größere gesellschaftliche Happening noch während der Kontaktbeschränkungen rund um das Corona-Virus. Es ist ein Versuch, wie einer der Veranstalter offenbart und doch waren die Vorfreude und Spannung bei den Besuchern groß, was das Autokino zum Auftakt so bietet.

60 Quadratmeter im Freien – das hört sich derzeit nach Freiheit an. Durch die Maßnahmen der Kontaktreduzierung hält man sich wohl öfter und länger in den eigenen vier Wänden. Manch einem fällt die Decke auf dem Kopf, gerade wenn eine Wohnung kleiner als 60 Quadratmeter ist und möglicherweise nicht einmal einen Balkon hat. Die vollständige Ausgangssperre ist uns erspart geblieben und doch ist Kleinkunst im Auto ein Freizeitangebot, dass bei derzeit mehr freier Zeit und relativ wenig Angebot für Abwechslung sorgt.

60 Quadratmeter misst die Leinwand auf dem Drieschplatz, die für das Auge überträgt, was auf der 50 Quadratmeter zählenden Bühne passiert. Akustisch übertragen über das Autoradio über die UKW-Frequenz 89,1 stand der Auftakt von „Kleinkunst im Auto“ im Zeichen der Kirche, die der Veranstaltungsreihe ihren Segen gab.

Am Sonntagmorgen rollten zum ökumenischen Gottesdienst fünf christlicher Gemeinden aus Eschweiler rund 80 Fahrzeuge auf den Drieschplatz. Die Sonne knallte, die Wärme hielt sich in den Morgenstunden noch in Grenzen, sodass es neben der Klimaanlage ausreichte, dass die Autofenster fünf Zentimeter geöffnet werden durften. Michael Datené, Pfarrer der Gemeinde St. Peter und Paul eröffnete: „Gott macht mobil. Er ergreift die Initiative und ist nah bei uns.“ Das gewinnt durch den Corona-Virus an Bedeutung, denn der Mensch ist keineswegs in der Lage, die Natur vollständig zu beherrschen. Menschliche Hilflosigkeit – die Geistlichen der Katholischen Pfarrei Heilig Geist, der Agape-Gemeinde, der Evangelischen Dreieinigkeitskirche, der Freien Evangelischen Gemeinde und der Katholischen Pfarrei St. Peter und Paul ermunterten zum Glauben an Gott.

60 Quadratmeter relativieren sich auf den vielfach größeren Drieschplatz, doch auch in der letzten (Auto-)Reihe konnten die Gläubigen dank der Leinwandtechnik visuell verfolgen, was auf der Bühne geschieht. Die Bilanz nach diesem einmaligen Auftakt zog ein Besucher, auch aus organisatorischer Sicht. „Ich fand es gut. Pfarrer Michael Datené versteht es wirklich, Begeisterung rüberzubringen. Die Technik hat auch gut geklappt. Freue mich schon auf heute Abend.“, so Musiker Peter-Heinz Arnolds.

Am Abend also sollte es richtig mit dem eigentlichen Sinn losgehen, mit der Comedy und Kleinkunst. Mehr noch als am Morgen wurde doch deutlich, wie sonderbar diese ganze Veranstaltung im Grunde ist, gerade wenn es um Komik geht. Jürgen B. Hausmann, der den direkten Kontakt zum Publikum gewöhnt ist, erklärte nach einer Anmoderation durch Kollegin Ingrid Kühne unverblümt, dass das für alle eine neue Situation ist. „Lacher, Applaus und Mimik der Zuhörer kamen aus den Fahrzeugen heraus nur bedingt beim Humoristen an. Für Hausmann war es eine besondere Herausforderung, er ist einer derjenigen, der sonst gerne mit Reaktionen des Publikums spielt.

Man hörte aus den kleinen Fensterschlitzen der Autos Menschen lachen und applaudieren, aber die auffälligere Antwort auf Hausmanns Gags war die (Licht-)Hupe. Nicht jeder hielt sich daran, auf das akustische Signal zu verzichten und nur aufzublinken, um die daheim gebliebenen Anwohner zu verschonen. Hausmann nahm es mit Humor und machte insgesamt das Beste aus der ungewöhnlichen Situation.

Der Testballon wurde rege angenommen, die Besucher unterstützten die Kleinkunst und nicht nur Eschweiler hält zusammen, denn die Comedy-Hungrigen kamen auch aus den Nachbarstädten herbeigefahren. Das freute die Organisatoren. „Es ist eine Chance, wir probieren es.“, verriet Veranstaltungstechniker Heinz-Peter Wiesen noch am Morgen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er kurze und wohl auch schlaflose Nächte hinter sich. Von dem einen auf dem anderen Tag ist seine Branche wohl eine, die die Corona-Einschränkungen mit den Veranstaltungsverboten kaum kompensieren kann. „Nicht nur meine Mitarbeiter von Pro Event, sondern auch die vom Talbahnhof hatten von dem einen auf dem anderen Tag nichts mehr zu tun, mal abgesehen von den finanziellen Sorgen, die das mit sich bringt.“, offenbart er.

Am vergangenen Freitagmorgen begann man und auf dem Drieschplatz damit, Strom- und Wasserleitungen und die grundsätzliche Infrastruktur zu legen. Am Samstag waren Bühne und Leinwand dran. Letztere misst an ihrer Oberkante eine Höhe von knapp neun Metern.

Während beim Gottesdienst am Sonntagmorgen viele Ehrenamtler der Pfarrgemeinden bei der Einweisung der Fahrzeuge mithalfen, waren auch das Personal vom Talbahnhof, von Pro Event und die Mitglieder des Citymanagement-Vereins mit von der Partie. Die kümmern sich bei den kommenden acht Comedy-Veranstaltungen um einen reibungslosen Ablauf. Der schien zum Auftakt – bei all den Ungewissheiten und der Pflicht, trotz der Durchführung den Mindestabstand und den Gesundheitsschutz einzuhalten – geglückt.

Manuel Hauck