04.02.2021
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Handball-Legende Hansi Schmidt: „Die WM-Austragung war trotz Corona genau richtig“

Wegen der Pandemie hat noch nie die Austragung einer Handball-WM so sehr für Misstöne gesorgt, wie das am Sonntag beendete Turnier in Ägypten. Die Filmpost sprach über die Reizthemen mit Hansi Schmidt, einem der weltbesten Handballer der 60er- und 70er-Jahre. Auch dank seiner gewaltigen Sprungkraft und zahlreichen Tore holte der VfL Gummersbach in jener Zeit sieben Deutsche Meisterschaften und vier Mal den Europapokal ins Bergische. 1970 stellte Schmidt, der „Erfinder“ des verzögerten Sprungwurfs, mit 13 Treffern in einem Länderspiel einen Rekord auf, der knapp 40 Jahre Bestand hatte. Insgesamt lief er 98 Mal fürs Nationalteam auf (484 Tore). Der heute 78-Jährige machte sich im Interview auch allgemeine Gedanken zu Sport und Gesellschaft.

Herr Schmidt, haben Sie die Handball-WM verfolgt?
Hansi Schmidt: „Mehr als intensiv. Einige grandiose Teams und hervorragende Spieler bereiteten mir viel Freude. Die Leistungen sind umso höher zu bewerten, da sie ohne ein unterstützendes, antreibendes Publikum zustande kamen. Dänemark hat den Titel mit Glück und doch verdient verteidigt. Die skandinavischen Mannschaften präsentierten sich allesamt stark. Bei Deutschland ist das Projekt gelungen, junge Leute heranzuführen und diese Erfahrungswerte sammeln zu lassen.“

Also hat das deutsche Team Sie nicht enttäuscht trotz des zwölften Platzes, dem schlechtesten Abschneiden der Historie?
Hansi Schmidt: „Nein, denn wir waren die einzige Nation, in der neun Spieler aus Vorsicht vor Corona auf die WM verzichtet haben. Die Entscheidung der Aktiven gilt es zu respektieren. Von der angetretenen Mannschaft durfte man in der Konstellation nicht mehr erwarten. Wenn die anderen, etablierteren Akteure hinzustoßen, werden wir bei Olympia bestimmt eine gute Rolle spielen.“

Es gab Diskussionen, ob die WM überhaupt hätte stattfinden sollen in Corona-Zeiten. USA und Tschechien sind wegen zu vieler Positiv-Fälle nicht erschienen, der deutsche Gegner Kap Verde ist während des Turniers abgereist.
Hansi Schmidt: „Man konnte die Bedenken nachvollziehen, aber wir müssen mit Corona als Tatsache leben. Ich denke, dass die WM unterm Strich sehr gut organisiert und die Austragung trotz des Zeitpunkts genau richtig war. Auf anfängliche Probleme in den Hotels hat man reagiert. Letztlich braucht der Handball auch die Spiele und die TV-Präsenz, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Mit Bundestrainer Alfred Gislason stehe ich immer wieder mal in Kontakt. Ich sagte ihm, dass ich dem Deutschen Handballbund dankbar bin für die Teilnahme.“

Ein weiteres Reizthema: Die Erweiterung auf 32 Teams. Als Sie 1967 WM-Torschützenkönig wurden, war das Teilnehmerfeld halb so groß.
Hansi Schmidt: „Das würde weiterhin reichen, denn die Qualität verwässert durchaus. In erster Linie wurde es wegen der höheren TV-Gelder gemacht. Geld ist aber nicht alles. Das Leistungsgefälle ist nicht förderlich für den Rhythmus der besseren Mannschaften. Sicher ist es interessant, andere Teams mit ihren teils eigenen Methoden auf dieser Bühne zu sehen. Diese betreiben auf ihren Kontinenten zugleich Werbung für den Sport. Doch wenn sie haushoch verlieren, tut man ihnen auch keinen Gefallen.“

Welche Beziehung haben Sie allgemein noch zum Handball?
Hansi Schmidt: „Er hat mich natürlich ein Stück weit geprägt. Ich habe dieser Sportart viel gegeben und zu verdanken. Ich lebe in Gummersbach und schaue ab und zu noch beim VfL vorbei. Die hohen Ergebnisse heute wie 35:33 klingen für mich allerdings wie Wurftraining. Das Spiel ist zwar schneller, aber viele sind es ja gar nicht mehr gewohnt, gegen eine organisierte Deckung vorzugehen. Das war zu meiner Zeit anders, da musste man in der Offensive sehr kreativ sein. Außerdem werden zu hohe Gehälter gezahlt. Der Handball ist nicht dafür geschaffen, Profisport zu sein. Er besitzt nicht die Einnahmen und Lobby wie der Fußball, wo der Staat bei Schulden aufkommt, siehe Schalke 04.“

Sie waren kein Vollprofi, sondern haben parallel zum Sport studiert und waren später als Lehrer tätig.
Hansi Schmidt: „Dieses duale System empfand ich als sehr wichtig. Es erweiterte den Horizont. Ich würde heute noch gerne vor der Klasse stehen, war passionierter Lehrer für Sport, Geschichte und Mathematik. Zugleich versuchte ich, die Schüler für Vereinssport zu motivieren. Sport schafft soziale Kontakte und liefert ein Spiegelbild der Gesellschaft. Willensstärke, Wettkampfgeist, Chancengleichheit, Zusammenhalt und Fairness sind zum Beispiel Aspekte, die im Leben genauso eine hohe Bedeutung haben. Es gibt leider heute diverse Angebote, die zum Zuhausebleiben verleiten. Derzeit ist es eh schwierig, dem Bewegungsmangel zu entfliehen.“

Wie gestalten Sie denn Ihre Tage im Lockdown?
Hansi Schmidt: „In unserer Familie passen wir auf uns auf und sind gesund. Ich muss nur öfter zum Physio wegen der Spätfolgen des Handballs. Unsere Ausflugspläne sind vorbereitet. Vielleicht kommen wir bald auch nochmal in die Eschweiler Region, wo mein Schwager lebt. Wir bleiben aktiv, denn mein Motto lautet: ,Das Gestern ist Geschichte, das Morgen ein Geheimnis und das Heute unser Geschenk.“

Interview: Tim Schmitz