04.10.2022
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Betreuungsnot: Erzieher und Eltern wissen in Krise nicht weiter

„Wir sitzen in einem Boot“, sind sich der Elternbeirat und die Kita-Leitung einig. Krisentreffen in der inklusiven Kindertagesstätte „Am Ringofen“ finden mittlerweile wöchentlich statt, denn die Folgen des Personalmangels spitzen sich immer weiter zu – so sehr, dass die Einrichtung die Notbremse gezogen hat.

Seit zwei Wochen bietet die Kita mit vier Gruppen nur noch zwei Betreuungstage pro Gruppe an. Diese Maßnahme soll zunächst bis zum Jahresende gelten. Allerdings ahnen alle Seiten schon jetzt, dass sich die Situation so schnell nicht ändern wird. Anita Permantier, Verbundleiterin der beiden Caritas-Kitas in Röthgen, ist gleichzeitig Vertreterin aller Eschweiler Kitas im politischen Raum. Sie berichtet, dass jeder Träger unter der Personalnot leidet. Bereits vor einem halben Jahr hat der Jugendhilfeausschuss Eschweiler eine Resolution als Appell an die Landes- sowie Bezirksregierung und den Landschaftsverband Rheinland (LVR) auf den Weg gebracht. Ein Fortschritt bei der praxisintegrierten Erzieher-Ausbildung: Sie wird inzwischen vom ersten Tag an bezahlt.

Ratlosigkeit
„Eine hohe Sensibilität ist bei allen Akteuren vorhanden“, schildert Susanne Antunes, Caritas-Fachbereichsleitung, dass der Personalmangel ein bundesweites Problem ist. Mit ihrem Team investiert Antunes viel Geld in die Personal-Akquise, um Fachkräfte zu finden und sie als attraktiver Arbeitgeber zu binden. Doch das Dilemma an der Basis – so sind sie, Permantier sowie Jennifer Kosel-Lämmerzahl und Michael Derks vom Ringofen-Elternbeirat einig – verschärfen sich. Die inklusive Kita konnte mit den vorhandenen Kräften nicht mehr die Aufsichtspflicht, das Kindeswohl und das Bedürfnis nach verlässlicher Betreuung erfüllen. „Wir wissen, dass das für die Eltern eine große Zwickmühle ist“, bedauert Permantier.

Dankbar ist sie mit ihrer Kita-Mannschaft dafür, dass die Eltern trotz des Schocks, als die Entscheidung der Betreuungsreduzierung verkündet wurde, Verständnis gezeigt haben. Dabei sind die Familien ebenfalls belastet. Der wirtschaftliche Druck, im Beruf mehr zu arbeiten, erhöht sich mit Blick auf die steigenden Energiepreise. Nicht jede Familie kann auf Homeoffice oder Großeltern zurückgreifen, um die ausfallenden Betreuungstage zu kompensieren. Am Ende bleiben die Kinder auf der Strecke, davon ist auch Elternbeiratsmitglied Derks überzeugt. „Der Bildungsweg und die sozialen Kontakte der Kinder, den Nachwuchskräften von morgen, leiden. In der Politik wird über Kita-Angebote wie Physiotherapie oder Betreuung bis 22 Uhr diskutiert. Wir wären schon damit zufrieden, wenn die Kernbetreuungszeiten garantiert werden“, so Derks und Kosel-Lämmerzahl. Sie und auch die Caritas Lebenswelten stehen, wie beide Seite versichern, in einem guten Austausch. Doch sie sind ratlos, wie sie das Problem im Kleinen lösen können.

Dauerhafte Krise
Mittlerweile wöchentlich prüft die Kita-Leitung, was mit dem Team möglich ist. Obwohl die Betreuungstage reduziert wurden, können Kinder mit Behinderung oder medizinischem Bedarf weiterhin uneingeschränkt von den Praxen therapiert werden. Zudem bemüht sich die Einrichtung um Kontinuität, indem Kinder von den gleichen Erziehern betreut werden. Bei den Planungen der Betreuung spielen zum einen Mitarbeiterausfälle aufgrund von Langzeiterkrankungen, Schwangerschaften oder Urlaub eine Rolle. Zum anderen müssen sich Kitas an bestimmte Personalvorgaben und Richtlinien halten. „Wir brauchen dringend eine Perspektive, pragmatische Lösungen und ein politisches Signal“, fordert Fachbereichsleitung Antunes. Sie denkt dabei unter anderem an eine Erleichterung der beruflichen Zugangsvoraussetzungen und der einfacheren Möglichkeit, als Quereinsteiger in Kitas tätig zu werden. Nichtsdestotrotz bleibt es ein Spagat, hohe Betreuungsqualität zu bieten und gleichzeitig genügend Kräfte zu finden.

Manuel Hauck