03.02.2022
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Stau-Land Nummer 1: „NRWs Autobahnen droht der Kollaps.“

Mehr Staus im zweiten Corona-Jahr – das ist die Bilanz vom ADAC. Nordrhein-Westfalen bleibt Stau-Land Nummer 1. Gerade die Lockerung der Homeoffice- und Corona-Regeln haben zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen gesorgt. Der Kollaps der Autobahnen droht laut ADAC.

Stau-Zahlen 2021
Auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen stieg die Anzahl der Staumeldungen im vergangenen Jahr von knapp 162.000 (2020) auf rund 215.500 (2021). Dies ist ein Zuwachs von 33%. Die Gesamtlänge aller Stauereignisse, zu denen Staus und stockender Verkehr gezählt wird, wuchs von 197.000 Kilometer auf fast 240.000 Kilometer (+22%). Zum Vergleich: Zusammengerechnet zählen die NRW-Autobahnen 2.200 Kilometer. Die stärkste Zunahme mit 40% gab es hinsichtlich der Stau-Dauer. Im Jahr 2021 steckten Autofahrer insgesamt 106.500 Stunden im Stau und stockenden Verkehr. 2020 betrug die Stau-Dauer 75.000 Stunden. Das Stauaufkommen lag 2021 in NRW aber trotzdem deutlich unter dem Niveau vor der Pandemie. 2019 wurden 253.000 Staus gemeldet, bei 453.000 Staukilometern und 171.000 Staustunden. Doch im Monatsvergleich gibt es Ausreißer. So zählte der ADAC von Juli bis September 2021 schon wieder mehr Staus als 2019.

Ursachen
Durch den Winter-Lockdown war die Mobilität zu Jahresbeginn 2021 stark eingeschränkt, was sich im Sommer wieder änderte. Berufspendler sind aus dem Homeoffice wieder verstärkt ins Büro zurückgekehrt. Auch besondere Ereignisse wie das Schneechaos im Februar oder die Hochwasserkatastrophe im Juli beeinflussten das Staugeschehen. Zum Jahresende nahm der Verkehr auf NRWs Autobahnen aufgrund der hohen Infektionszahlen und der schärferen Corona-Regeln wieder ab.

Bundesweit
NRW behält den Spitzenplatz bei der Staubilanz des ADAC. Ein Drittel der bundesweiten Stauereignisse wurden in Nordrhein-Westfalen gemeldet. Auch bei den Staukilometern und den Staustunden hatte NRW den größten Anteil. Die Stau-Belastung ist eine zusätzliche Kennziffer, um das Staugeschehen zu ermitteln. Sie beschreibt die räumlich-zeitliche Ausdehnung eines Staus und wird berechnet, indem man die Länge (Kilometer) und die Dauer (Minuten bzw. Stunden) eines Staus miteinander multipliziert. Dadurch werden langanhaltende Staus stärker berücksichtigt als kurzfristige Stauereignisse. Auch hierbei liegt NRW, wo die Stau-Belastung innerhalb eines Jahres um 48% zunahm, bundesweit vorne. Zu den besonders belasteten Autobahnen zählte 2021 auch die A4 zwischen Aachen und Köln.

Forderungen des ADAC
Die Staubilanz für 2021 zeigt deutlich: Sinkt das Infektionsgeschehen, nimmt die Mobilität schnell wieder zu. Ob die von der Pandemie erzwungene zwischenzeitliche Veränderung des Mobilitätsverhaltens mittel- oder gar langfristig auch zu einer neuen Mobilitätskultur führt, scheint laut ADAC daher mehr als fraglich. Wenn mit allmählicher Normalisierung der Corona-Situation der Pkw-Verkehr in kürzester Zeit wieder rasant ansteigt und noch mehr Menschen das Auto nutzen als vor der Pandemie, droht dem Autobahnsystem in Nordrhein-Westfalen ein Kollaps. Der ADAC hält vier Faktoren für entscheidend, um dieser Belastung zu begegnen.

- 1. Forderung – Homeoffice stärken: Die Pandemie hat gezeigt, dass sich die Zahl der Arbeitswege sowie dienstliche Reisen durch Homeoffice und Mobiles Arbeiten deutlich reduzieren lässt. Ein bis zwei Tage Homeoffice senken den persönlichen Berufsverkehr um 20 bis 40 Prozent. An Bürotagen sollten Arbeitnehmer, egal ob mit dem Auto oder dem ÖPNV, nicht alle um 8 Uhr hin- und um 17 Uhr wieder zurückfahren. Flexible Arbeitszeiten können den Berufsverkehr entzerren und Straße, Bus und Bahn entlasten.

- 2. Forderung – ÖPNV stärken: In NRW nutzen deutlich weniger Menschen den ÖPNV als vor der Pandemie. Der ADAC fordert, dass sich die Pendlerströme wieder auf verschiedene Verkehrsträger verteilen müssen. Der ÖPNV muss eine gute Alternative zum Auto sein, um den Verkehr auf der Straße zu entlasten. Dazu sieht der ADAC die Modernisierung der Schienensysteme im Nah- und Fernverkehr als notwendig, um ein attraktives Angebot zu gewährleisten. Zudem müssen beim ÖPNV eine dichte Taktung, Sauberkeit und flexible digitale Tarife angeboten werden. Laut ADAC haben die Verkehrsverbünde dies jedoch inzwischen erkannt.

- 3. Forderung – Totalausfälle bei Brücken verhindern: „Der Zustand der Brücken in NRW ist katastrophal“, so der ADAC. Die Sperrung der Talbrücke Rahmede auf der A45 ist ein Beispiel dafür, wie dramatisch sich der Zustand der Brückeninfrastruktur innerhalb weniger Jahre verschlechtern kann und welche Auswirkungen ein Totalausfall auf Verkehrssituation in der Region und ganz NRW haben kann. „Es darf jetzt nicht zu einem Domino-Effekt kommen, wo in NRW eine Brücke nach der anderen für Lkw oder sogar Pkw gesperrt werden muss“, fordert der ADAC. Brückenprüfungen müssen demnach engmaschiger durchgeführt werden als es das Regelwerk derzeit vorsieht.

- 4. Forderung – Bau und Sanierungen beschleunigen: Auch wenn in diesem Jahrzehnt massiv Investitionen nachgeholt werden, kommt es während Bau- und Sanierungsarbeiten vermehrt zu Verkehrsbeeinträchtigungen. Der ADAC appelliert an die Autobahn GmbH, dass Maßnahmen schnell umgesetzt werden und so, dass die Beeinträchtigungen für Verkehrsteilnehmer möglichst gering sind.

Hintergrund: So werden Staus berechnet
Der ADAC nutzt zur Stauermittlung Fahrzeugflotten mit ihren Geschwindigkeitsdaten. Eine wichtige Bedeutung haben hier die Fuhrparks von großen Speditionen. Insgesamt liefern circa 300.000 Lkw ständig anonymisiert und automatisiert ihre Positions- und Geschwindigkeitsinformationen („Floating Car Data“) von deutschen Straßen. Weitere Daten senden Online-Navigationsgeräte und Smartphone-Apps mit der Funktion „Staudaten übertragen“ (4,5 Millionen Nutzer). Diese Live-Daten werden zur Berechnung von Verkehrsstörungen verwendet.

Wenn mehrere Fahrzeuge über fünf Minuten unter 40 km/h auf einer Länge von mindestens 500 Metern (= ein Autobahn-Segment) fahren, erfasst der ADAC eine Verkehrsstörung und deren Dauer. In die Längenbilanz (Gesamt-Kilometer) fließen nur Verkehrsstörungen ab einem Kilometer Länge ein. Liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen 40 und 20 km/h, spricht der ADAC von dem Ereignis „stockender Verkehr“, bei Geschwindigkeiten unter 20 km/h von „Stau“. Beide Ereignisse werden als Verkehrsstörung gezählt. Wichtig: Jede Verkehrsstörung wird nur einmal gezählt. Die längste räumliche Ausdehnung, die die Verkehrsstörung im zeitlichen Verlauf aufweist, fließt in die ADAC-Statistik ein. Wenn die Fahrzeuge auf dem betreffenden Meldungsabschnitt wieder über 60km/h fahren, wird die Meldung aufgehoben.

Redaktion