06.09.2022
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„Unverzichtbar!“ Sozialtraining an Realschule nach Pandemie und Flut

„Es ist ein Glücksfall, dass wir alle an einem Ort untergekommen sind“, ist Michaela Silbernagel überzeugt. Gleichzeitig weiß die Leiterin der Eschweiler Realschule, die ihre „Heimat“ verloren hat und nach der Flut an der ehemaligen Würselener Realschule Asyl gefunden hat, dass die aktuelle Zeit eine herausfordernde ist: Die Schultage fangen durch die längeren und koordinierten Busfahrten später an und es bleibt weniger Zeit für Freizeit.

Pandemie, Hochwasser und Krieg sind zusätzliche Belastungen, die den Schulalltag bis heute erschweren. Das trifft besonders auf Schüler zu, die einen sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf benötigen. Seit mittlerweile zehn Jahren arbeitet die Realschule intensiv mit Eschweilers Jugendamt zusammen, seit acht können Soziale Gruppentrainings und Jugendhilfe Plus-Maßnahmen angeboten werden, die über die NRW-Inklusionspauschalen finanziert werden. Zur Seite stehen der Realschule dabei externe Anbieter.

Heiko Gatzke, systemischer Berater für junge Menschen, und Richard Breidohr, Diplom-Pädagoge und Gestalttherapeut, begleiten die Realschüler als „Außenstehende“ mit eben jenen Sozialtrainings auch am vorübergehenden Standort in Würselen und werden dabei von der Lehrerin für Sonderpädagogik, Brigitte Vonken-Möller, unterstützt.

In enger Abstimmung mit den Kindern, Jugendlichen und ihren Erziehungsberechtigten werden zunächst Gespräche geführt, um ins Sozialtraining einzusteigen. Beratungen mit den Fachmännern, die zwar zu zwei verschiedenen Trägern gehören, aber dank ihrer langjährigen Tätigkeit in der Region gut vernetzt sind, werden auch während der Trainingsphase ermöglicht. Letztere finden – getrennt nach zwei Altersstufen – in Gruppen mit acht bis zehn Jugendlichen über ein Schulhalbjahr verteilt statt.

Ziel ist, dass die jungen Menschen ihre sozialen Fertigkeiten weiterentwickeln, als Basis für das Zusammenleben in unterschiedlichen Kontexten und Gruppen. Dabei werden nicht nur Verhaltensregeln erlernt und umgesetzt, sondern auch Hilfestellungen gegeben, um schwierige Situationen angemessen zu bewältigen. In dem pädagogisch-therapeutischen Setting können sich die jungen Menschen zudem selbstreflektieren. Vor allem vor dem Hintergrund der Einschränkungen während der Pandemie und der psychisch-traumatischen Flutfolgen, unter denen viele Schüler leiden, werden diese dabei begleitet, positive Beziehungen aufzubauen und das soziale Miteinander zu meistern.

„Die Kinder, Jugendlichen und ihre Familien müssen bereit sein, sich zu öffnen“, nennt Heiko Gatzke die Grundvoraussetzung und ergänzt: „Auch wenn es nicht immer einfach ist, widergespiegelt zu werden, ist dies eine große Chance.“ Das sehen auch Michaela Silbernagel und Brigitte Vonken-Möller so, die das Sozialtraining für unverzichtbar halten: „Durch die beiden professionellen Außenstehenden erfahren die Trainierten eine Wertschätzung ihrer individuellen Lebenslagen und Probleme.“ Die Akzeptanz für das Training sei zweifelsohne bei den Schülern und ihren Erziehungsberechtigten vorhanden und Bedarf und Nachfrage leider höher als das Angebot.

Manuel Hauck