15.04.2023
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IHK zu Infrastrukturprojekten: „Vom Standstreifen auf die Überholspur“

Die Industrie- und Handelskammer Aachen bezieht vor dem Hintergrund der Sperrung der Haarbachtalbrücke (A544), die jeden Tag erfolgen könnte, Stellung zu Infrastrukturprojekten.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen fordert mindestens eine Halbierung der Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeiten von Infrastrukturprojekten. „Erreichbarkeit ist für Unternehmen der Standortfaktor Nummer 1. Wir setzen seit Jahren die Standortgunst und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes aufs Spiel“, kritisiert Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen, und fordert einen Paradigmenwechsel: „Deutschland muss vom Standstreifen auf die Überholspur kommen. Der Verfall der Infrastruktur muss gestoppt, Engpässe müssen beseitigt und Lücken geschlossen werden.“

So sei zum Beispiel der seit Jahrzehnten benötigte Lückenschluss der A1 in der Eifel „längst überfällig“, die jetzt akuten Probleme der A544 in Aachen „sehenden Auges über Jahre nicht gelöst“ worden, moniert Bayer. Bei rund 340 Brücken im Rheinland, die von Bund und Land verantwortet werden, besteht akut erheblicher Instandhaltungsbedarf, bei mehr als 600 weiteren Brücken ist das in den nächsten Jahren notwendig.

„Ohne funktionsfähige Infrastruktur meistern wir den Strukturwandel im Rheinischen Revier nicht, sondern gefährden Nordrhein-Westfalen als Industriestandort und europäisches Warendrehkreuz“, warnt Bayer. „Bei Planung und Bau von Verkehrsprojekten brauchen wir endlich einen Aufbruch hin zu mehr Schnelligkeit und Effizienz.“ Die Entscheidung des Koalitionsausschusses der Bundesregierung, Verkehrsprojekte der Kategorien „Vordringlicher Bedarf mit Engpassbeseitigung“ (VB-E) und „Laufende und fest disponierte Vorhaben Engpassbeseitigung“ (FD-E) als überragendes öffentliches Interesse einzustufen und dadurch Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, sei laut Bayer „ein Schritt in die richtige Richtung, reiche aber noch nicht aus, um die akuten Infrastrukturprobleme im Land zu lösen.“ Von den bundesweit 144 Autobahnprojekten, die jetzt schneller realisiert werden sollen, sind 29 in Nordrhein-Westfalen verortet.

Für die Haarbachtalbrücke kommt jede Beschleunigung jedoch zu spät. Die jetzt offenbarten Probleme seien „symptomatisch für die überbordende Komplexität des deutschen Planungsrechts, die geprägt ist von vielfältigen Beteiligungs- und Klageverfahren“, sagt Bayer. „Natürlich wissen wir, dass es sich hierbei um komplexe Abwägungsprozesse handelt und verschiedene Interesse zu berücksichtigen sind. Der Preis darf aber nicht sein, dass sich die Autobahn GmbH aufgrund des fortschreitenden Verfalls der Brücke nun gezwungen sah, die ursprünglichen Pläne der Behelfsbrücke aufzugeben. Das ist eine folgenschwere Fehlentwicklung, die wir alle jetzt ausbaden müssen, und besonders bitter für die Unternehmen, die gar um ihre Existenz fürchten.“ All das wäre vermeidbar gewesen und dürfe sich künftig nicht wiederholen, fordert Bayer.

„Bei der A544 geht es nun um Schadensbegrenzung. Deshalb sind wir für jede Lösung offen, die den Bau einer Behelfsbrücke ohne Zeitverzug ermöglicht. Das müssen uns die genehmigenden Stellen jetzt kurzfristig verbindlich zusagen“, betont der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Es wäre beispielsweise schon ein Paradigmenwechsel, wenn Bedenken zur Umweltverträglichkeit nur dann vor Gericht behandelt werden, wenn sie bereits im Planverfahren vorgebracht wurden.“

Die geplante Vollsperrung der A544 vom Autobahnkreuz Aachen zum Europaplatz wird tausende Anwohner, Pendler und Unternehmen vor massive Probleme stellen. Im Umkreis von einem Kilometer um die zu erneuernde Haarbachtalbrücke herum sind 430 Betriebe angesiedelt. Erweitert man den Radius auf fünf Kilometer, sind es knapp 14.300. Ab dem 17. April wird der Zustand der Brücke wieder geprüft. Eine vorzeitige Sperrung könnte die Folge sein.

Redaktion