Rot-Grün zur Steuerreform: „Keine Differenzierung und keine neuen Erhöhungen!“
Eschweiler will seinen Bürgern 3,7 Millionen Euro schenken? Sicher nicht! Zunächst will dies die Ratsmehrheit (SPD und Bündnis 90/Die Grünen). Die Koalition hat einen Antrag gestellt, der sich mit der Grundsteuerreform des Landes und erneut mit der Grundsteuer B befasst, nachdem die Hebesätze in Eschweiler erst im Sommer massiv angehoben wurden. Die Entscheidung fällt nächste Woche im Stadtrat.
Es ist das Jahr der „Grundsteuer“ und das nicht nur, aber vor allem in Eschweiler.
Erster Akt
Die Ratsmehrheit hatte eine starke Erhöhung der Grundsteuer B beschlossen und diese im Rahmen der Beratungen für den Doppelhaushalt 2024/2025 rückwirkend. Zum 1. Januar 2024 wurde die Grundsteuer A von 310 auf 320 Punkte, die Grundsteuer B von 520 auf 895 Punkte und die Gewerbesteuer von 490 auf 495 Punkte angepasst. Heftiger Unmut schwappte der Politik und dem Rathaus entgegen.
Zweiter Akt
Davon losgelöst folgte noch eine zweite Anpassung, die der Grundstücksbewertungen. Dieses Kriterium – welches mit der Steuermesszahl und dem individuellen Hebesatz einer jeden Kommune multipliziert wird und die schlussendliche Steuerlast ergibt – wurde von den Finanzbehörden aktualisiert. Anlass: Die Grundstücksbewertungen waren jahrzehntealt und wurden nun den derzeitigen Gegebenheiten angepasst. Dies hat dazu geführt, dass manche Grundstückseigentümer mehr und manche weniger zahlen mussten.
Dritter Akt
Jetzt folgt der dritte Akt, ein umstrittener und für die Ratsmitglieder in allen Gemeinden sicherlich kein einfacher: die Grundsteuerreform des Landes, die vom Bundesverfassungsgericht gefordert wurde. Diese ermöglicht in NRW ab dem 1. Januar 2025, differenzierte Hebesätze bei der Grundsteuer B anzuwenden, die Wohn- und Nicht-Wohngrundstücke unterscheiden.
Der Auftakt der politischen Debatten fand in Eschweiler bereits im Oktober statt. Hierbei legten die Stadtverwaltung und Kämmerin Bettina Merx einen ersten und umfangreichen Aufschlag zur Kenntnis vor. Die von der schwarz-grünen Landesregierung beschlossene Reform wurde von den kommunalen Spitzenverbänden kritisch gesehen. Der Vorwurf: Staatliche Verantwortung wird auf die Gemeinden verlagert und die Verteilungsfrage politisiert. Gutachten kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Frage, ob die Differenzierung rechtssicher angewendet werden kann.
Entscheidung zum Jahresende
Eine Entscheidung muss trotzdem her und die steht kommende Woche im Stadtrat an. Die rot-grüne Koalition hatte nun zum Pressegespräch eingeladen, um ihren Willen, wie mit der Differenzierung umgegangen wird, vorab zu erläutern.
Dietmar Krauthausen (SPD), Dietmar Widell (Grüne) und Aaron Möller (SPD) plädieren im Namen ihrer Fraktionen – und das ist auch in einem Antrag formuliert – gegen eine Differenzierung. Sie begründen dies damit, dass die rechtssichere Anwendung weiterhin nicht gegeben sei und davor ebenfalls die Kämmerei der Stadt warnen würde. Rückenwind erhalten sie dabei durch die Industrie- und Handelskammer Aachen. Die hatte vor drei Wochen nachdrücklich in einem Brief 46 Kommunen dazu aufgefordert, die Differenzierung nicht anzuwenden. Sie begründete dies damit, Wettbewerbsnachteile für Unternehmen und Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.
Verluste
Durch die neuen Berechnungen der Messbeträge ergeben sich aber erhebliche Verluste bei der Grundsteuer. Um die Vorgabe der „Aufkommensneutralität“ zu erreichen und somit die Steuereinnahmen auf einem gleichen Niveau zu halten, gibt es einen Vorschlag des Landes NRW. „Wenn es nach dem Land NRW gegangen wäre, hätte der Hebesatz von 895 auf 1112 steigen müssen.“, so die Koalition. Bei einer differenzierten Besteuerung lautete die Empfehlung: Anstieg des Hebesatzes beim Wohnen auf 962 und beim Nicht-Wohnen auf 1.520. Gemischt genutzte Gebäude (zum Beispiel Geschäft im Erdgeschoss und darüberliegende Wohnungen) würden in die Kategorie „Nicht-Wohnen“ fallen.
Der Vorschlag von Rot-Grün sieht letztlich keine Differenzierung und auch keinen neuen Anstieg der Hebesätze der Grundsteuer vor. Damit nimmt die Stadt 3,7 Millionen Euro weniger ein.
Kompensieren möchten SPD und Bündnis 90/Die Grünen dieses Minus für das Jahr 2025, indem die Ausgleichsrücklage der Stadt beansprucht wird. Möglich wird dies durch aktuelle Berechnungen, die Verbesserungen im Haushalt stärker ausweisen als ursprünglich geplant – konkret: 4,95 Millionen. Zudem befindet sich die StädteRegion Aachen derzeit ebenfalls in der Haushaltsaufstellung. Es gibt Signale, dass die Regionsumlage, die an die StädteRegion Aachen zu zahlen ist, um rund 1,5 Mio. Euro geringer ausfällt als bisher erwartet.
„Wir wollen, dass die Grundsteuer in Eschweiler nicht weiter steigt. Insgesamt werden die Bürger um 3,7 Mio. Euro entlastet. Das ist in Zeiten steigender Kosten für alle wichtig und ist auch in Teilen eine Form der Wirtschaftsförderung hier in Eschweiler.“, betont Aaron Möller (SPD).
Dietmar Krauthausen (SPD) ergänzt: „Wir tragen Verantwortung in dieser Stadt und müssen einen Haushalt aufstellen, der realistisch und rechtssicher ist. Unser oberstes Ziel ist es, die Menschen möglichst wenig zu belasten, sondern eher sogar entlasten, so sehr es geht. Das ist jetzt möglich und das machen wir jetzt.“
Und auch Dietmar Widell (Grüne) ist überzeugt: „Die Haushaltslage verändert sich so schnell und die Kommunalfinanzen sind weiterhin so fragil, dass wir immer auf Sicht fahren, aber wir haben jetzt die Möglichkeit, die rechtssichere Lösung ohne steigende Hebesätze zu beschließen. Wir wollen den Haushalt dem großen Risiko einer Klage nicht aussetzen und die Menschen nicht weiter belasten.“
Wahrscheinlich ist, dass der Vorschlag mit rot-grüner Mehrheit in der kommenden Ratssitzung (12. Dezember) Anwendung findet.
Manuel Hauck