28.03.2022
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Caritas fordert unabhängige Migrationsberatung

Die Caritas Aachen wirbt für mehr Unabhängigkeit in der Beratung für Menschen mit Migrationshintergrund und kritisiert die Umsetzung des Landesprogramms „Kommunales Integrationsmanagement“. Dazu hatte sie Direktkandidaten der Landtagswahl im Mai für die StädteRegion Aachen eingeladen. Bei dem Fachgespräch in Stolberg zu Gast waren: Dr. Werner Pfeil (FDP), Daniel Scheen-Pauls (CDU), Stefan Kämmerling (SPD), Darius Dunker und Fabian Müller (beide LINKE).

Das Landesprogramm
Das Kommunale Integrationsmanagement, kurz KIM, ist ein mit 75 Millionen Euro Steuergeldern ausgestattetes Programm des Landes Nordrhein-Westfalen, das federführend vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration erarbeitet und 2020 vom Landtag beschlossen wurde. Es zielt auf die Verbesserung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. 2021 wurde es flächendeckend in Nordrhein-Westfalen eingeführt. Diese Mittel fließen sämtlich in die Kommunen, schwerpunktmäßig in die drei Aufgabenbereiche Strategische Aufgaben/ Steuerung Overhead, Case-Management sowie Stellenfinanzierung bei der Ausländerbehörde.

Rückmeldung der Caritas
Insbesondere zum Bereich Case-Management hat die Caritas Fragen und Anregungen. Mit mehr als 35 Millionen Euro werden Kommunen gefördert, um Personal vorzuhalten, das in die Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund einsteigen soll. Das gilt sowohl für die Beratung neu ankommender Migranten als auch für Personen, die sich schon seit einer längeren Zeit in Deutschland aufhalten und Integrationshemmnisse haben. Ob diese Beratung durch Mitarbeiter der Kommune oder der Freien Wohlfahrtspflege erfolgt, liegt im Ermessensspielraum der jeweiligen Kommune. Die StädteRegion Aachen entschied, das Case-Management in kommunaler Verantwortung zu belassen.

Grundsätzlich begrüßt die Caritas als Teil der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen das Landesprogramm KIM und seine Zielsetzung, die Integrationsmöglichkeiten von Migranten in den Kommunen zu verbessern. In der konkreten Umsetzung von KIM äußert Diözesancaritasdirektor Stephan Jentgens jedoch im Hinblick auf die Klienten erhebliche Zweifel daran, dass das Programm die Ziele erreichen kann:

„Ein Kritikpunkt ist die Doppelstruktur, die aus Sicht der Caritas nicht notwendig ist. Die bereits in der Freien Wohlfahrtspflege und aus Bundesmitteln finanzierten Angebote wie Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) und Jugendmigrationsdienst (JMD) arbeiten bewährt und erfolgreich. Wir benötigen hier keine parallele Struktur in Form von Case-Management.“ Diese Mittel sähe die Caritas lieber in der direkten Begleitung und Beratung der Menschen.

Bernhard Verholen, Vorstand des Regionales Caritasverbandes Aachen, befürchtet in diesem Zusammenhang auch die Praxis der „Verweisberatung“: „Es wäre nicht dienlich, wenn kommunale Case-Manager Migranten selbst keine Beratung anbieten, sondern Ratsuchende an Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege verweisen würden. Hier fehlen ohnehin die nötigen Ressourcen, sie sind heute bereits in Teilen überlastet.“

Weiter stört die Caritas das sogenannte rechtskreisübergreifendes Case-Management, das gleichzeitig sowohl für ordnungsrechtliche Fragen (zum Beispiel Aufenthalt) als auch sozialrechtliche Fragen (soziale Beratung) zuständig ist. Dies verhindere eine unabhängige Beratung, wenn zum Beispiel Case-Manager einem Migranten, der einer bestimmten Empfehlung oder einem Angebot nicht folgen möchte, rechtliche Konsequenzen androht oder diese umsetzt. Darüber hinaus haben eine Vielzahl von Migranten schlechte Erfahrungen mit Behörden in ihren Herkunftsländern gemacht. Bei Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege kann an diesen Stellen mit einem größeren Vertrauensvorschuss gearbeitet werden.

Jentgens und Verholen wünschen sich die Stärkung eines partnerschaftlichen Ansatzes in der Migrationsarbeit. Der gewünschte Ausbau der Beratungsstruktur für Migranten - im Sinne der Förderung einer besseren Integration sollte zwischen den erstverantwortlichen Kommunen und den anderen Akteuren der Freien Wohlfahrtspflege und Migrantenorganisationen partnerschaftlich umgesetzt werden. Verholen: „Die mangelnde Beachtung des Subsidiaritätsprinzips widerspricht den Interessen der Migranten, die Beratung suchen.“

In einigen Kommunen – auch im Bistum Aachen -, in denen regionale Caritasverbände im Zusammenhang mit KIM in das Case-Management eingebunden sind, berichten diese von zu starker Einflussnahme der Kommune in das operative Geschäft. Diese beanspruchen die Fachaufsicht über die Case-Manager der Caritas für sich. Das lehnt die Caritas ab. Jentgens stellt fest: „Die Beratung im Interesse der Klienten kann nur dann frei erfolgen kann, wenn die Arbeit von Behörden weisungsunabhängig erfolgt.“

Redaktion