25.03.2024
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Jobcenter Eschweiler und Stolberg: „Bewegte Zeiten“ von Bürgergeld bis Arbeitsmarktintegration

Ein bewegtes Jahr liegt hinter dem Arbeitsmarkt. Die Jobcenter-Spitzen Stefan Graaf, Geschäftsführer StädteRegion Aachen, sowie die beiden Geschäftsstellen-Leiter Jürgen Schönen (Eschweiler) und Marcus Alt (Stolberg) zogen Fazit zum Jahr 2023 und wagten den Ausblick, welche Herausforderungen aktuell akut sind.

Dabei bilanzierte Graaf, dass das Bürgergeld. welches zum Jahr 2023 das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) abgelöst hatte, bei den Jobcentern ohne Komplikationen umgesetzt wurde. In Eschweiler bezogen im vergangenen September 685 Personen diese Sozialhilfe (September 2021: 752). Die Annahme, „Bürgergeld ist attraktiver als zu arbeiten“, bestünde laut den Jobcenter-Leitern keinen Faktencheck. Extremfälle, die die Gesellschaft spalten und Hass schüren, dürfen nicht die Diskussion beherrschen, so Graaf, Schönen und Alt unisono.

Gute Nachrichten

Die Zahl der Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (SvB) steigt. Während Stolberg den besten Wert seit 2019 erreicht hat, ist das Wachstum in Eschweiler seit 2014 ungebrochen. Im vergangenen Jahr befanden sich 21.250 Personen in der Indestadt in SvB, davon über 900 Auszubildende. Letztere waren hauptsächlich für den Anstieg in Eschweiler verantwortlich. Ein wesentlicher Faktor ist das Flächenpotential, denn in der StädteRegion hat Eschweiler die größten Flächenreserven, die für Unternehmensvergrößerungen oder -Ansiedlungen genutzt werden können. Laut Jobcenter-Leiter Jürgen Schönen tut sich in Eschweiler in diesem Bereich einiges.

Derweil stabilisiert sich die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wieder, nachdem vor allem die Ankunft von ukrainischen Flüchtlingen im Sommer 2022 zu einem Anstieg geführt hatte. Darüber hinaus sinken die Zahlen der sogenannten Langzeitleistungsbeziehenden, also jener erwerbsfähigen Personen, die in den vergangenen 24 Monaten mindestens 21 Monate hilfebedürftig waren. Lag dieser Wert in Eschweiler im September 2018 noch bei 3.175, betrug er im vergangenen September 2.283. 

Integration am Arbeitsmarkt

Einwanderung, so sind sich die drei Jobcenter-Spitzen einig, ist gleichzeitig eine der größten Chancen und Herausforderungen für den Arbeitsmarkt. So geht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung davon aus, dass Deutschland pro Jahr eine Netto-Zuwanderung (ohne Abwanderung) von rund 400.000 Ausländern brauche, um die Lücken beim Personalmangel zu schließen und die deutsche Wirtschaftskraft zu festigen.

Gleichzeitig ist ein höherer Aufwand bei der Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt erforderlich, vor allem hinsichtlich Sprachbarrieren und Jobcenter-Beratung. Zwar werden in diesem Jahr zusätzliche Dolmetscher eingestellt, allerdings ist die Kapazität von Sprach- und Integrationskursen ausgeschöpft. So kommt es mitunter zu längeren Wartezeiten, bis Menschen mit Migrationshintergrund diese Kurse wahrnehmen können.

„Sand im Getriebe“ bringt es Schönen zum Ausdruck. Dass der „Jobturbo“ – das neue Programm des Bundes – die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen beschleunigen möchte, wird ausgebremst, da es dann eben vor Ort daran scheitere, die Maßnahmeninstrumente schnell genug umzusetzen.

Während der Anteil der Ausländer an den Bedarfsgemeinschaften nach SGB II gestiegen und höher als in der Gesamtbevölkerung ist, sind auch positive Entwicklungen zu verzeichnen. Die Arbeit für syrische Flüchtlinge trägt laut Schönen in den letzten Jahren Früchte, da viele langfristig in einen Beruf vermittelt werden konnten. Die Integration in den Arbeitsmarkt von Menschen aus den acht nichteuropäischen Asylherkunftsländern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien) liegt mit 22,8 % in der StädteRegion Aachen höher als bei der gesamten Vermittlung von Leistungsberechtigten.

Die Integration ist laut Jobcenter nachhaltiger worden und es werden Beschäftigte längerfristig an Betriebe gebunden. Gleichzeitig lautet der Appell von Stefan Graaf, Jürgen Schönen und Marcus Alt mit Blick auf aktuelle Tendenzen, dass Deutschland für den Arbeitsmarkt eine Willkommenskultur brauche. Gleichzeitig sehen sie nach der Devise „Dinge einfach regeln“ in dem Qualifizierungschancengesetzt Potentiale, dass ausländische Berufsabschlüsse unkomplizierter anerkannt werden. Alles in allem sind Schlüssel für eine erfolgreiche Integration am Arbeitsmarkt weiterhin die Sprache und der formale Bildungsabschluss. Daher sei es umso wichtiger, in die Bildung und vor allem jener von Kindern mit Migrationshintergrund zu investieren.

Weitere Entwicklungen

Grundsätzlich suchen vor allem kleinere und mittlere Unternehmen händeringend Fachkräfte, ergreifen jedoch vielfältige Maßnahmen für die Arbeitnehmer. Betrug die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Eschweiler im September 2021 noch 752, lag der Wert im September 2023 bei 563. Der Anteil der Menschen, die keinen Schulabschluss vorweisen können, an den Arbeitslosen insgesamt liegt an der Inde bei 24 %, derjenigen ohne abgeschlossene Berufsausbildung sogar bei 74 % – Tendenz steigend.

Trotz aller Zahlen und Entwicklungen, die das Jobcenter präsentierte, prognostizierte es abschließend zukünftige Unwägbarkeiten. Der Arbeitsmarkt muss sich somit – auch aufgrund des unstabilen Weltgeschehens und der Bundespolitik – weiterhin auf „bewegte“ Zeiten einstellen.

Manuel Hauck